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Artikel zum Renaturierungsgesetz


Im Zuge des Offenen Briefs von Wenzel Bubna an die grüne Umweltminsiterin hat eine österreichische Zeitung einen Artikel über die Situation der Land- und Forstwirtschaft, mit unserem Betrieb als Praxisbeispiel, veröffentlicht.

Hier die Ausschnitte aus dem Artikel, die unseren Betrieb betreffen: 

Renaturierungsgesetz: Ein Forstwirt und seine Wut auf die Grünen

Ihm liegen Natur- und Klimaschutz am Herzen, er ist kein brutaler Holzindustrieller. Trotzdem steht Wenzel Bubna beim Streit um die Renaturierung aufseiten der ÖVP: Wir haben ihn besucht und gefragt, warum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

25/2024 VOM 18.06.2024

https://www.falter.at/zeitung/20240618/renaturierungsgesetz-ein-forstwirt-und-seine-wut-auf-die-gruenen
 

Aus Sorge ist Entsetzen geworden. Und das innerhalb weniger Tage. „Ich frage mich, wie sich die Grünen noch von einer populistischen Partei wie der FPÖ abgrenzen wollen“, sagt Wenzel Bubna. Und überhaupt: Dieser Akt stamme aus der Feder einer Person, die mit der Umsetzung nichts zu tun habe. „Sie zerstört damit nicht nur unsere Kulturlandschaft, sondern wohl auch die Regierung!“

Es ist Donnerstag. Vier Tage ehe Leonore Gewessler den „Verrat“ begehen wird. Der 26-jährige Forstwirt öffnet den Kofferraum seines Geländewagens, sein Hund Bea springt heraus. Ohne den Jagdhund streift er nur selten durch seinen Wald, hier, östlich von Krems. Nicht nur das Tier kennt die 750 Hektar wie seinen Hundekorb, auch der Forstwirt kann zu jedem Baum eine Geschichte erzählen: Hier eine 150-jährige Eiche, sein Lieblingsbaum und äußerst schwer „hochzukriegen“ – es erfüllt ihn mit Stolz, dass der Baum trotz Konkurrenz durch andere Baumarten so groß geworden ist; dort eine äußerst seltene Esche – ein eingeschleppter Pilz rafft die heimische Baumart seit mehr als zehn Jahren dahin; dazwischen Ulmen und Douglasien, Schwarznuss und Bergahorn.
 

220 Jahre lang gibt es den Gutsbetrieb Bubna schon. Als er gegründet wurde, lebte Beethoven. Der Urururgroßvater von Bubna hat die Flächen gekauft, als das Land die Kirche teilweise enteignete. Seit den 90er-Jahren ist der wertvolle Auwald, den die Familie bewirtschaftet, großteils Natura-2000-Gebiet. Die Wälder mit ihren Vögeln, Insekten und Amphibien sind geschützt, die Forstwirte dürfen aber weiter Bäume pflanzen und Holz ernten, wenn auch mit Auflagen. Geregelt ist zum Beispiel, wie viele der gepflanzten Arten heimisch sein müssen. Das Holz der 50 bis 60 Baumarten verkauft Bubna an holzverarbeitende Betriebe.
 

Natur- und Klimaschutz liegen ihm am Herzen, er ist kein schonungsloser Holzindustrieller. Nicht umsonst überließ sein Vater schon vor Jahren 40 Hektar der Natur; nicht umsonst probiert sein Betrieb immer wieder ganz neue Arten und Sorten aus, einfach nur, um die Diversität im Wald zu erhöhen; nicht umsonst nimmt er Förderungen für viele Flächen in Anspruch, auf denen er hauptsächlich heimische Arten pflanzen muss, obwohl es wirtschaftlich gesehen viel schlauer wäre, die US-amerikanische Schwarznuss zu setzen.
 

Und nicht umsonst reicht er das Fernglas weiter, um die braunen Wipfel der Kiefern zu betrachten, die der Borkenkäfer und andere Käfer gerade dahinraffen: „Ich fahre durch meinen Wald, sehe, dass die Bäume sterben, weil es viel zu heiß, zu trocken ist und Schädlinge so viel größere Erfolgschancen haben“, sagt Bubna. 5000 „Festmeter Kalamitätsholz“ hatte der Forstwirt bereits dieses Jahr, also Holz, das für eine weitere Nutzung unbrauchbar ist – normalerweise macht der Betrieb 5000 gesunde Festmeter im Jahr. „Wir sind nicht gegen Klima- und Naturschutz. Im Gegenteil: Wir sind am stärksten davon betroffen.“
 

Doch seit die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler in Erwägung gezogen hat, für das sogenannte Renaturierungsgesetz zu stimmen, das kaputte Ökosysteme auf dem Kontinent wiederherstellen will, und diese Vision am Montag zur Realität gemacht hat, ist aus dem freundlichen Waldbesitzer ein wütender geworden. Würde die EU ihm noch mehr reinreden, bestimmen, welche Baumarten wo und wann gepflanzt werden, meint er, würde nicht mehr nur der Klimawandel seinen Betrieb bedrohen – sondern auch die Bürokratie. So schreibt er es auch in einem offenen Brief an die Ministerin.
 

„Es macht mich fassungslos. Gewessler stellt sich ideologisch über uns Betroffene. Gebote und Verbote treiben Leute in die Radikalität – das sehe ich bei mir selbst“, sagt Bubna. Er beschreibt sich selbst als traditionell, gläubig, ÖVP-Wähler. Aber auch als vernunftgeleitet: Als die schwarze niederösterreichische Landesregierung die Donaubrücke bauen wollte, stellte sich seine Familie klar dagegen – auch weil ein Teil ihres Grundes dafür weichen müsse, die Brücke niemand brauche. Der Mann ist sozialisiert wie viele in seiner Zunft, hat Forstwirtschaft gelernt, machte ein Praktikum im ÖVP-nahen Bauernbund und beim ÖVP-Europaabgeordneten Alexander Bernhuber.

Die Geschichte des Forstwirts Bubna ist deshalb exemplarisch für das, was seit einigen Tagen auf offener Bühne der Austropolitik und seit Monaten hinter den EU-Kulissen vor sich geht. Die Debatte rund um das Renaturierungsgesetz ist so zu einer Art Stellvertreterkonflikt von Stadt gegen Land, Expertentum vs. Praktikerwissen, Bauernbund gegen Fridays for Future und vor allem: Grüne vs. ÖVP geworden.
 

Sonntag, 16. Juni. Leonore Gewessler tritt vor das Rednerpult, in einem Moment, der sich als historisch erweisen sollte: „Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, im entscheidenden Moment vor meiner Verantwortung wegzulaufen“, sagt die Ministerin. Bis vor kurzem musste sie sich auf EU-Ebene enthalten, die Bundesländer hatten sich einstimmig gegen das Gesetz gestellt. Und Gewessler war an diesen Beschluss gebunden.
 

Vor allem weil Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sich nun für das Renaturierungsgesetz ausspricht, sei kein einheitlicher Beschluss der Länder mehr gegeben. Montagfrüh macht Gewessler ihre Ankündigung im EU-Umweltministerrat wahr. Nur durch die Stimme Österreichs geht das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ überhaupt final durch.

Niemand steht über dem Recht“, ließ Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wissen. Auch wenn 82 Prozent der Österreicher für das Renaturierungsgesetz sind, so eine Umfrage des Market-Instituts im Auftrag des WWF.

Wieso interessiert sich die ÖVP plötzlich für Naturschutz? Hat Gewessler gesetzeskonform gehandelt? Und wieso sind Betroffene wie Wenzel Bubna so entsetzt?

Donnerstag, 13. Juni. Für den Fototermin hat sich der Forstwirt in die Lederhose geschmissen. Bubna zeigt auf eine Fläche zu seiner Rechten: Vor einem Jahr habe er hier sogenannte Hybridpappeln gesetzt. Im Naturschutz sind sie verpönt, ein klassischer Plantagebaum. Aber Bubna zeigt auf die Bäume dazwischen: „Monokulturen gibt es hier nicht.“ Bergahorn und Schwarznuss, Silberpappel und Platanen, zwischen den Hybridpappeln würde sich der Wald von selbst vervielfältigen. Wenn man ihn lässt. Wenn die Verordnung diese Baumsorte aber pauschal verbietet, hätte er ein Problem: „Betriebswirtschaftlich wäre das eine echte Katastrophe.“

Er gibt ein Beispiel: Seine geliebte Eiche, auch eine Art der Au, nutze man, sobald sie 50 Zentimeter Durchmesser hat. Das dauere rund 140 Jahre. Eine Pappel? Die schaffe das schon nach 35 Jahren. Vor allem aber geht es ihm um eines: Er will selbst bestimmen, was er wann wo setzt. Und nicht Flächen „hergeben“, mehr Bürokratie verantworten, um weiter auf seine Art zu wirtschaften. Er sei niemand, der leicht wütend werde, aber diese Vorgehensweise, der Gedanke, dass sein Betrieb bedroht sein könnte, mache ihn emotional.

Die Frage ist nur: Machen die Land- und Forstwirte da überhaupt mit? „Wenn ich meine Flächen hergeben muss, nicht mehr bewirtschaften kann, dann könnte man das als Enteignung verstehen“, sagt Wenzel Bubna. Er ist sich sicher: Grundeigentümer zu finden, die ihre Flächen hergeben, auch freiwillig, das sei sehr schwierig. Vor allem, um „20 Prozent der bewirtschafteten Flächen außer Nutzung zu stellen“.

Bleibt noch die Frage, ob Gewesslers Vorpreschen auch dem österreichischen Verfassungsrecht standhält. Um die eigene Position zu stärken, haben die Grünen Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, darunter beim emeritierten Professor für Umweltrecht Karl Weber: „Die Stellungnahme muss einheitlich, unzweideutig und bestimmt sein“, heißt es darin. Doch diese Kriterien seien momentan nicht gegeben. „Daher entfaltet diese Stellungnahme insgesamt keine inhaltliche Bindungswirkung für den Bund.“ Gewessler könne also frei entscheiden.

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts, auf den sich auch Nehammer bezieht, sieht das ein wenig anders: Solange es eine einheitliche Länderstellungnahme gebe, hätte Gewessler nicht für das Gesetz abstimmen dürfen. Laut Bundesministeriengesetz müssen die einzelnen Ministerien bei derartigen Causen außerdem einvernehmlich vorgehen. Der Verfassungsdienst ist der Ministerin aber nicht vorgesetzt. Er kann ihr nichts befehlen.

Nur Forstwirt Bubna ist noch nicht beruhigt. Immerhin: Die Ministerin habe auf seinen offenen Brief geantwortet, ein paar seiner Sorgen „beschwichtigt“. Und hier kommt bei dem Forstwirt noch eine andere Emotion durch: „Wir wollen, dass die Maßnahmen, die wir bereits machen, anerkannt werden – aber stattdessen sind wir immer die bösen Land- und Forstwirte, die alles kaputtmachen.“ Vielleicht ist dieser Satz auch eine Lektion für die Grünen.

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